In der modernen Welt ist Migration omnipräsent. Sie durchzieht sämtliche Lebens- und Alltagsbereiche, steckt oftmals verschlüsselt in unseren Gewohnheiten. Während unzählige Menschen sowohl mental als auch körperlich mit nie da gewesener Aggressivität die Globalisierung vorantreiben, werden einst stabile „Genres“ und Identitäten jeder Art zerlegt – aufgespalten und abgeschafft, überflüssig gemacht und wieder neu geboren. Alles migriert, alles ist in Bewegung.

In genau diesem fluktuierenden Feld findet die US-amerikanische Komponistin und Sängerin Sheherazaad Inspirationen für ihre Songs. Ihr demnächst erscheinendes Minialbum Qasr, das von Arooj Aftab produziert wurde, entstand während einer Phase der familiären Entfremdung. Auch die Trauer über einen Todesfall in der Familie und die rassistische Polarisierung ihres Landes, das plötzlich kaum wieder zu erkennen war, prägten die Aufnahmen.

Der Titel des Albums bedeutet auf Urdu (der Nationalsprache in Pakistan und einigen indischen Bundesstaaten mit hohem muslimischen Bevölkerungsanteil) so viel wie „Burg“ oder „Festung“. Und tatsächlich ist Qasr ein Monument: Es verkörpert die Last der Vertreibung, die widersprüchlichen Sog- und Anziehungskräfte der Diaspora – und das schreckliche Problem der Auslöschung, des Vergessens der eigenen Wurzeln. Um genau diese Art der Erfahrung geht es, um die Gewalt, die Hysterie, auch um die Romantisierungen, die damit einhergehen, wenn Sheherazaad klanglich eintaucht in jenes In-Between – ins Reich des Dazwischen.

Bild: Zayira Ray